23. Mai 2009 im Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft in Freiburg i.Br.

Der Maler Enrico Pietracci zeigt seinen kreativen Prozess in einer interdisziplinären Performance aus Musik, intuitivem Zeichnen, darstellender Kunst mit
dem Cellisten Simon Breth,
und der Performerin Simone Jaeger.

"Die Kaiserin"

ist eine interdisziplinäre Performance, charakterisiert durch die Verschmelzung unterschiedlicher Formen der Kunst, wie Malerei/Zeichnen, Musik und theatralische Darbietung zur Schaffung eines Gesamtkunstwerks.

Wir können uns all das Unbegrenzte, Unendliche, Unbestimmte nicht vorstellen, wenn wir nicht das Bild einer Finsternis von unergründlicher Tiefe heraufbeschwören.
Wenn wir uns an den Abgrund stellen nehmen wir nur ein mentales Chaos war dem wir bestürzt gegenüberstehen. Um Klarheit in unsere geistige Verwirrung zu bringen sind wir auf die Hilfe der Kaiserin angewiesen.
Diese strahlende Herrscherin verkörpert die schöpferische Intelligenz, Mutter der Formen, der Bilder und Ideen.
Sie ist die unbefleckte Jungfrau der Christen, die Venus der Römer, geboren in den dunklen Wellen des aufgewühlten Ozeans.
Die Kaiserin entspricht den höheren Gewässern, dem hellen Ozean in dem alles unveränderlich ist, dem Ort der Archetypen, genauer der idealen Formen, der puren Ideen nach denen alles geschaffen wird.
Der Kaiserin steht bei den Tarokkarten der Kaiser gegenüber. Er ist ein in der Mitte der Dinge eingekerkerter Pluto, das Lebensfeuer.
Der Kaiser regiert über das Konkrete, das Verkörperte.
Er ist der Demiurg der Platoniker und der große Architekt der Freimaurer.
Prinzip und Festigkeit, Wachstum und Aktion.
Er ist der individuelle Geist, vereint in seiner schöpferischen Essenz aber geteilt in der Vielfalt seiner Kreaturen*.

Die Performance

Der bildende Künstler inzeniert in einer Art Auseinandersetzung mit seinen "Obsessionen" den persönlichen kreativen Prozess, charakterisiert durch den rastlosen Antrieb der ihn zu dem fiebrigen Bemühen treibt, das weibliche Bild einzufangen.
Gefangen in dem dichten Netz seiner unbewussten Projektionen entdeckt er langsam, in einer Aktion der Annäherung und des Austauschs mit dem "Subjekt", die wirkliche "Essenz" und die tiefe Realität die sich hinter einem oft trügerischen Bild verbirgt.
Gleichzeitig leitet er einen kreativen Dialog mit ihr ein und erfährt den Zustand einer "erweiterten Wahrnehmung" die das Verbindungsglied zwischen der inneren (der Ideen) und der äusseren (der Aktionen) Welt darstellt.
Symbol und Wirklichkeit verschmelzen zu einem kreativen und dynamischen Kontinuum.

Wie in einem alchemistischen Prozess liegt die Aufgabe des Künstlers in der Verarbeitung seiner Obsessionen und Impulse, das "Rohelement", das durch unzählige Destillationen und Kombinationen zur "Essenz" gelangt: sie offenbart sich in einer erweiterten künstlerischen Ausdrucksform, Ergebnis der Fusion komplementärer Gegensätze.
Es entsteht ein Gesamtkunstwerk aus der Verbindung und Interaktion unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen.

Enrico Pietracci

* Oswald Wirth "Le Tarot des imagiers du Moyen Age", Paris 1966

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